Walpurgisnacht (Gedicht von Hermann von Lingg)
Walpurgisnacht vorbei!
Es stürmt und wetterleuchtet,
Den Einzug hält der Mai,
Von Dämmergrau’n umfeuchtet.
An Felsen Flutgeroll,
Verglimmend Sterngefunkel,
Im Wald schlägt sehnsuchtsvoll
Die Drossel tief im Dunkel.
Die Windfahn‘ krächzt am Dach,
Der Uhu im Geklüfte;
Was wispert wie ein Ach
Verhallend in die Lüfte?
Ein Hexchen ist’s, die just
Vom Blocksberg heimgefahren,
Beschneit die volle Brust
Und Blüten in den Haaren.
Am grünen Fensterbrett
Da duften die Violen;
Sie wirft sich auf ihr Bett
Mit schwerem Atemholen.
Die Händchen ruhn im Schoß,
Ein Schleier hängt zerrissen
Um ihr Gesichtchen los,
Sie drückt es in die Kissen.
Am Tisch brennt, tief im Docht,
Von gestern noch die Kerze,
Ihr Herzchen pocht, es pocht
In wildem Liebesschmerze.
Verschlafen kräht der Hahn,
Ein Blitz noch, und ein trüber,
Umwölbter Tag bricht an –
Walpurgisnacht vorüber!