Von überschönen Augen
O der lieb wahrer hort und port,
ihr meiner schönen Myrten augen,
wan anderst ein so schlechtes wort
kan euch zu nennen gnugsam taugen!
zwar augen kan man euch, weil ihrem angesicht
ihr klare augen seid, zu sein verleugnen nicht,
doch darf man euch kaum augen nennen,
weil ihr so schön und tugendhaft,
sondern von wegen eurer kraft
muß man euch himmelisch bekennen.
Zwar mit so wunderreichem pracht,
damit sich dise augen zieren,
kan, es sei gleich tag oder nacht,
der himmel selbs niemal prachtieren.
wan schon dem himmel gleich ihr heiter glatte stirn
erleuchtet diese welt durch euch, als ein gestirn:
so ist jedoch in euch vermischet
das braun und liecht mit solchem schein,
daß es ja muß ein wunder sein,
wie ihrer jedes uns erfrischet.
So darf auch mein warhafter mund
euch mit der sonnen nicht vergleichen,
weil ihr glanz, wie dem umkreis kund,
muß euerm glanz und würkung weichen:
und zweier sonnen schein bedeutet krieg und leid,
da euer zwillingliecht erwecket frid und freud;
die sonn durch ihre brunst beschweret,
die sie anschauen mit verdruß,
da ihr mit süßem lusts einguß
durch das gesicht das herz vermehret.
Wer sich, glückselig, kan in euch
besehen, wird reichlich gesegnet,
dan ihr ganz wunderlich liebreich
sein herz mit freuden überregnet;
die strahlen eures liechts und eures anblicks glanz
seind zugleich der lieb pfeil und auch der keuschheit schanz;
dan sie mit lieb und lust entleben
und dan mit süßer forcht und ehr
widrum belebend, uns die lehr,
den engeln gleich zu leben, geben.
Daher, o augen braun und klar,
schwarzlecht und hell, wie blitz und dunder;
der schönheit und lieb wieg und bahr,
der natur schatz und gröstes wunder,
ganz übermenschlich schön muß ich mit leid und wohn
bekennen euch zugleich der götter straf und lohn:
dan ihr könt ja mit euern blicken,
der schönheit, lieb und tugend sitz,
wie durch geschütz, hitz, spitz und blitz
das herz zerstücken und erquicken.
Georg Rodolf Weckherlin