Trinklied
Wer ist doch immer so geschossen,
dass ab dem lieben Rebensaft,
der unsers Herzens Trost und Kraft,
er unwirsch sein sollt und verdrossen?
Dan was kann doch ohn trinken wehren?
und ist nicht unter dem Gedrank
der Wein das Best, mit Lob und Dank
vor allem, was nass, hoch zu ehren?
Besehet doch, Freund, wann es regnet,
wie durch den starken Regenguss,
bisweilen auch durch einen Fluss
das erdreich sich voll saufend segnet.
Die Kräuter und Gewächs der Erden,
ja alle Bäum auch, klein und groß,
verschmachten trostlos und fruchtlos,
wann sie nicht oft bezechet werden.
Den Durst die Tier und Vögel stillen
nach Lust mit Wollust, und die Fisch
die suchen stets was nass und frisch,
damit begierig sie sich füllen.
Das Meer will auch den rausch nicht fliehen,
sondern es pfleget ohn Ablass
breit tiefe Flüss und Bäch ohn maß
garaußend in den Wannst zu ziehen.
Ist es dann durch den Trunk getroffen,
so fanget es ein Wesen an,
als ob es auch wollt jedermann
ersäufen, weil es selbs besoffen.
Und warum fallen oft zu Haufen
die tobend-brausend-laute Wind?
weil sie, zu bausen sehr geschwind,
das Meer gern wollten gar aussaufen.
In dem Meer und in allen Bronnen
die sonn selbs löschet ihren durst,
und der Mond wär schon ein Bratwurst,
wann er nicht voll würd von der Sonnen.
Drum soll uns fürhin niemand wehren,
wann nichts will unbesoffen sein,
auch mit einander bei dem wein
frohlockend Tag und Nacht zu zehren.
Dann wer unwürsch ist und verdrossen
ab diesem guten Rebensaft,
der unsers Herzens Trost und Kraft,
der ist (zwar nüchtern, doch) geschossen.
Georg Rodolf Weckherlin