Leiden, Irrtum und Widerstandskraft
halten das Leben lebendig.
Gottfried Keller
Sprüche, Gedichte, Texte, Zitate – Sammlung
Zitate, Texte und Gedichte von Gottfried Keller (1819-1890) schweizer Dichter und Politiker.
So oft die Sonne aufersteht,
erneuert sich mein Hoffen
und bleibet, bis sie untergeht,
wie eine Blume offen.
Es blitzt ein Tropfen Morgentau im Strahl des Sonnenlichts;
ein Tag kann eine Perle sein und ein Jahrhundert nichts.
Hüll’ ein mich in die grünen Decken,
Mit deinem Säuseln sing mich ein,
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit deines Tages jungem Schein!
Ich hab mich müd in dir ergangen,
Mein Aug’ ist matt von deiner Pracht.
Nun ist mein einziges Verlangen, Im
Traum zu ruhn, in deiner Nacht.
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Oh wie lieb ist die Arbeit,
wenn man dabei an etwas Liebes zu denken hat
und sicher ist, am Sonntag mit ihm zusammen zu sein.
Heute sah ich ein Gesicht,
Wonnevoll zu deuten:
In dem frühen Pfingstenlicht
Und beim Glockenläuten
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Welch lustiger Wald um das graue Schloß
Hat sich zusammengefunden,
Ein grünes bewegliches Nadelgehölz,
Von keiner Wurzel gebunden!
Anstatt der warmen Sonne scheint
Das Rauschgold durch die Wipfel;
Hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,
Das Räuchlein zieht um die Gipfel.
Es ist ein fröhliches Leben im Wald,
Das Volk erfüllt die Räume;
Die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
die fällen am frohsten die Bäume.
Der eine kauft ein bescheiden Gewächse
Zu überreichen Geschenken,
Der andre einen gewaltigen Strauch,
Drei Nüsse daran zu henken.
Dort feilscht um ein verkrüppeltes Reis
Ein Weib mit scharfen Waffen:
Der dünne Silberling soll zu gleich
Den Baum und die Früchte verschaffen!
Mit glühender Nase schleppt der Lakei
Die schwere Tanne von hinnen,
Das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
Zu ersteigen die grünen Zinnen.
Und kommt die Nacht, so singt der Wald
Und wiegt sich im Gaslichtscheine;
Bang führt die arme Mutter ihr Kind
Vorüber dem Zauberhaine.
Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:
Im düstern Bergesbanne
Stand eisbezuckert auf dem Granit
Die alte Wettertanne.
Und zwischen den Ästen waren schön
Die Sterne aufgegangen,
Am untersten Ast sah ich entsetzt
Die alte Schmidtin hangen.
Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,
Das festlich still verkläret;
Weil sie auf der Welt sonst nichts besaß,
Hatte sie sich selbst bescheret.
Der schönste Tannenbaum, den ich je gesehn
Das war ein Freiheitsbaum, von sechzig Ellen,
Am Schützenfest, im Wipfel Purpurwehn,
Aus seinem Stamme flossen klare Wellen.
Vier Röhren gossen den lebend’gen Quell
In die granitgehaune runde Schale;
Die braunen Schützen drängten sich zur Stell‘
Und schwenkten ihre silbernen Pokale.
Unübersehbar schwoll die Menschenflut,
Von allen Enden schallten Männerchöre;
Vom Himmelszelt floß Julisonnenglut,
Erglühnd ob meins Vaterlandes Ehre.
Dicht in Gedräng‘, dort an des Beckens Rand,
Sang laut ich mit, ein fünfzehnjähr’ger Junge;
Mir gegenüber an dem Brunnen stand
Ein zierlich Mädchen von roman’scher Zunge.
Sie kam aus der Grisonen letztem Tal,
Trug Alpenrosen in den schwarzen Flechten
Und füllte ihres Vaters Siegpokal,
Drin schien ihr Aug‘ gleich Sommersternennächten.
Sie ließ in kindlich unbefangner Ruh
Vom hellen Quell den Becher überfliessen,
Sah drin dem Widerspiel der Sonne zu,
Bis ihr gefiel, den vollen auszugiessen.
Dann mich gewahrend, warf sie wohlgemut
Aus ihrem Haar ein Röslein in den Brunnen,
Erregt‘ im Wasser eine Wellenflut,
Bis ich erfreut den Blumengruß gewonnen.
Ich fühlte da die junge Freiheitslust,
Des Vaterlandes Lieb‘ im Herzen keimen;
Es wogt‘ und rauscht‘ in meiner Knabenbrust
Wie Frühlingssturm in hohen Tannenbäumen.