Sehnsucht nach dem Frühlinge
Verlange nur nicht allzusehr
Des holden Frühlings Wiederkehr!
Bald wird er, unter jungen Rosen,
Den Grazien liebkosen,
Und im belaubten Hayn
Bey Nymphen und Cytheren seyn.
Des Winters trauriges Gewand
Deckt noch die Wälder, noch das Land:
Doch Phöbus jagt die raschen Pferde
Schon näher an der Erde,
Durch eine steilre Bahn,
Des Himmels rund Gewölb hinan.
Auf schnellem Wagen ist er schon
Dem wilden Capricorn entflohn;
Und von den schwarzen Stürmen schwellen
Die aufgebrachten Wellen:
Der Winde kämpfend Heer
Fällt rasend aufs gestäupte Meer.
Weh ihm, wenn sich der Handelsmann
Zur Heimreis‘ ietzt entschließen kann,
Bereichert mit Aegyptens Waaren
Der Creter Meer durchfahren,
Und kühn dem Africus
Auf schwachem Schiffe trotzen muß!
Die junge Gattinn harrt am Strand,
Wo ihr Geliebter ihr verschwand,
Und herzt den Sohn mit bangem Sehnen,
Den unter süssen Thränen
An ihrer Brust sie nährt,
Und ein Willkommen stammeln lehrt.
Umsonst! Kein Gott erhört ihr Flehn!
Sie wird ihn, ach! nicht wieder sehn.
Er wird, in tiefer See begraben,
Die giergen Fische laben:
Denn die erzürnte Fluth
Verschlingt lautbrüllend Schiff und Gut.
Du aber, wann ein sanfter West
Nun durch die ersten Veilchen bläst,
Verweile nicht, dich zu entschließen,
Und Tage zu genießen,
Die uns die karge Zeit
Nur wenig, wenig Monden leiht!
Der Mensch verfolgt mit starrem Blick
Ein ihm entfliehend lächelnd Glück:
Er jammert um versagte Freuden.
Erst wann sie flüchtig scheiden,
Erkennt und schätzt er sie:
Doch, was er hat, genießt er nie.
Johann Peter Uz