Mahnung
Wenn dir ein gold’ner Traum zerrann
Und rauh die Wirklichkeit dein Herz zerspaltet,
Nicht mit dem Schicksal had’re dann,
Das doch nur in dir selber lebt und waltet.
Wie sehr man dir auch weh‘ gethan,
Was du auch mußtest von der Welt erdulden:
Vielleicht, siehst du es ruhig an,
Erweis’t sich doch dein eigenes Verschulden.
Und klage nicht mit lautem Groll,
Daß du allein nur ungeliebt auf Erden –
Erwäge stumm und demuthsvoll,
Ob du auch würdig bist, geliebt zu werden.
So lernst du still und allgemach
Dein Wesen bis zur Wurzel klar erkennen,
Und was man auch an dir verbrach:
Erlebt und nicht erlitten wirst du’s nennen.
Die Zähre, die im Aug‘ dir ruht,
Gleich einer Freudenthräne wird sie fließen,
Und angehaucht von hehrem Muth,
Wird selbst die tiefste Wunde leis‘ sich schließen.
Ferdinand von Saar