Lob des Winters
Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage,
Ihr seid zwar schön, doch nicht für mich.
Der Sommer macht mir heiße Plage,
Die Herbstluft ist veränderlich;
Drum stimmt die Liebe mit mir ein :
Der Winter soll mein Frühling sein.
Der Winter zeigt an seinen Gaben
Die Schätze gütiger Natur,
Er kann mit Most und Äpfeln laben,
Er stärkt den Leib und hilft der Kur,
Er bricht die Raserei der Pest
Und dient zu Amors Jubelfest.
Der Knaster schmeckt bei kaltem Wetter
Noch halb so kräftig und so rein,
Die Jagd ergötzt der Erden Götter
Und bringt im Schnee mehr Vorteil ein,
Der freien Künste Ruhm und Preis
Erhebt sich durch den Winterfleiß.
Die Zärtlichkeit der süßen Liebe
Erwählt vor andern diese Zeit;
Der Zunder innerlicher Triebe
Verlacht des Frostes Grausamkeit;
Das Morgenrot bricht später an,
Damit man länger küssen kann.
Der Schönen in den Armen liegen,
Wenn draußen Nord und Regen pfeift,
Macht so ein inniglich Vergnügen,
Dergleichen niemand recht begreift,
Er habe denn mit mir gefühlt,
Wie sanfte sich’s im Finstern spielt.
Da ringen die getreuen Armen
Mit Eintracht und Ergötzlichkeit,
Da lassen sie den Pfühl erwarmen,
Den oft ein falsches Dach beschneit,
Da streiten sie mit Kuß und Biß
Und wünschen lange Finsternis.
Das Eis beweist den Hoffnungsspiegel,
Der viel entwirft und leicht zerfällt;
Ich küsse den gefrornen Riegel,
Der mir Amanden vorenthält,
Sooft mein Spiel ein Ständchen bringt
Und Sait’ und Flöte schärfer klingt.
Ich zieh den Mond – und Sternenschimmer
Dem angenehmsten Tage vor;
Da heb ich oft aus meinem Zimmer
Haupt, Augen, Herz und Geist empor,
Da findet mein Verwundern kaum
In diesem weiten Raume Raum.
Euch Brüder hätt’ ich bald vergessen,
Euch, die ihr nebst der deutschen Treu’
Mit mir viel Nächte durch gesessen;
Sagt, ob wo etwas Beßres sei.
Als hier bei Pfeifen und Kamin
Die Welt mitsamt den Grillen fliehn.
Der Winter bleibt der Kern vom Jahre,
Im Winter bin in munter dran,
Der Winter ist ein Bild der Bahre
Und lehrt mich leben, weil ich kann;
Ihr Spötter redet mir nicht ein;
Der Winter soll mein Frühling sein.
Johann Christian Günther