Im Halbschlaf
Ich lag die Nacht in halbem Traum
Zwischen Schlafen und Wachen
Und wußt es kaum.
Vor meinen Augen ging ein Tanz
Seltsamer Bilder auf und ab,
Und längst Verstorbne ließ das Grab.
Sie schienen mir wie mißgestalte Fratzen
Auf einem Mummenschanz.
Und plötzlich mußt im Traum ich lachen,
Daß diese greisenhaften Zwerge
Einst junge Menschen.
Und mir Freunde waren.
Da fing’s in meinem Ohre leise an
Zu klingen,
Als wollten mir die Schemen anvertraun,
Was meine schweren Sinne nicht verstanden.
Und da, auf einmal stieß
Der Nachtwind jäh das Fenster auf,
Und deutlich hörte ich ganz nah
Den wehen Ruf:
„Einmal noch Mensch sein dürfen,
Einmal nur.“
Mir war es unbewußt,
Ob nicht vielleicht mein Hirn
Diesen Gedanken schuf,
Den meine harte Stirn
Im Traume nicht mehr hielt.
Das klang wie letzter Ton
Von einer Harfe,
Die jemand an der Felsenscharfe
Verzweifelt ließ zerschellen.
Und leis und leiser
Ebbten nach die Wellen
An meinem Ohre hin.
Da wurd ich wach,
Und sucht dem Klange
Eifrig nachzudenken.
Doch ’s waren Worte nur,
Und hohler Schall und Tand,
Aus denen keinen rechten Sinn ich fand.
Georg Heym