Glück der Erinnerung
Getrennt von dir, bist du mir nicht verloren,
Wenn auch entfernt, genieß’ ich reines Glück.
Die schönsten Stunden, immer neu geboren,
Ruft mein lebend’ger Geist in sich zurück.
Schon sitz’ ich wieder nah an deiner Seite,
Wir lesen wieder, wie wir sonst getan.
Vereint ins Buch zu sehn, ist große Freude,
Doch größre, sieht man sich einander an.
Nun kommt ein Wort, das du nicht recht verstanden,
Und ich erkläre dir’s, wie ich’s vermag.
Du fassest leicht und schnell, so schnell verschwanden
Am Buch die Stunden, abends wie am Tag.
Bleibt mir doch stets ein freudiges Erinnern,
Wie oft mich dein gewandter Geist entzückt! –
So gegenwärtig bleibt der Kuß dem Innern,
Dem vielgeliebten Nacken aufgedrückt.
Dich übermannt der Schlaf am späten Abend,
Getrost an meiner Seite schläfst du ein.
Wie ist mir nun dein stiller Anblick labend,
Der Züge, die auch schlafend schön und rein! –
Ein Rauschen hör’ ich in dem nächsten Zimmer;
Ich flüstre deinen Namen, – schnell erwacht,
Ermuntert bist du, Leben ganz wie immer,
Und freundlich, wie du je mich angelacht.
Nun wird es spät, du wickelst deine Locken,
Ich bin dir nah und seh’ beglückt dich an;
Und du erzählst, behend und ohne Stocken,
Ein Märchen mir, wie du es oft getan.
Ist Nacht es nun und muß ich endlich gehen,
Reichst liebend du den Mantel von der Wand,
Umhüllest mich – ich laß es gern geschehen –
Und drückst mir noch zum Lebewohl die Hand.
Dann auf der Straße wieder und im Dunkeln,
Seh’ ich hinauf zu deinem Licht zurück.
Und wie am Himmel ew’ge Sterne funkeln,
So trag ich mit mir mein genoßnes Glück.
Johann Peter Eckermann