Frühling ward’s
Frühling ward’s. Die weichen Lüfte
Künden’s und die kleinen Bäche
Trüben Wassers aus den Rinnen.
Wie das rieselt, gluckst und plappert,
Eh‘ der letzte schäbig-schmutzige
Rest der einst so leuchtend weißen
Winterherrlichkeit dahin.
Frühling ward’s. Die Staare künden’s,
Mischen sich, der künftigen bunten
Farbenpracht ein schwacher Vorschmack,
Schwarzgefrackt und gelbgeschnäbelt,
In den grauen Sperlingspöbel.
Welch ein Piepsen, welch ein Schreien,
Wunderbare Zukunftstöne,
Solche Frühlingsouvertüre.
Doch es wird schon besser kommen:
Lenzsolisten, Sommersänger,
Nachtigallentrillerketten,
Amsellied und Finkenschlag.
Frühling ward’s. Du fühlst bei jedem
Schritt das fröhliche Ereignis
Sich an deine Sohlen heften.
Grundlos werden alle Wege,
Schlammig vor den Thoren draußen,
Schlammig in der Stadt. Millionen
Pfützen, Lachen, kleine Seen
Spiegeln jedes dir ein Stückchen
Von dem Frühlingshimmel wieder,
Der noch weinerlich darein blickt
Wie ein neugebornes Kindlein
Bei dem ersten Unbehagen,
Das ihm diese Welt verursacht.
Nur Geduld, die Thränen trocknen,
Und ein erstes sonniges Lächeln
Kündet Lebensfrühlingsfreude,
Erste Frühlingslebenslust.
Frühling ward’s. Die Armen künden’s.
Aus den Gängen, aus den Höfen,
Aus den dumpfen Winterhöhlen
Kommen sie ans Licht gekrochen,
Männer schmauchend, Weiber schwatzend,
Buben raufend, Mädchen tanzend
Nach dem Klang des Leierkastens.
Wie die Spatzen, wie die Stare,
Tummeln sie sich auf den Gassen,
Vogelpöbel – Menschenpöbel,
Frühlingskinder, lärmend, schreiend,
Eine Frühlingssymphonie.
Frühling ward’s. Gewissheit hab‘ ich.
An die Thür mir kam er selber,
Zog die Glocke, dass es fröhlich
Klang durch meine stille Klause;
Rief mich fort von meinem Schreibtisch,
Fort von meinen Frühlingsversen;
Bot mir Blumen, Frühlingsblumen,
Schneeglöckchen und erste Veilchen;
Trug ein einfach Kleid von blauem
Weißgemusterten Kattun und
Um den Hals ein loses Tüchlein;
Trug gescheitelt schlichte blonde
Haare, ohne Hut noch Häubchen;
Hatte klare blaue Augen,
Weiche Wangen, luftgerötet,
Volle Lippen, jugendfrisch.
Hielt am Finger mein das Ringlein
Nicht zurück mich, gar zu gerne
Wär‘ ich um den Hals gefallen,
Ach, dem Frühling, gar zu gerne Hätte diese weichen Wangen,
Diese vollen jungen Lippen
Ich bedeckt mit meinen Küssen.
Hatt‘ ich doch den ganzen langen
Trüben Winter gar so heftig
Nach dem Frühling mich gesehnt.
Und nun durft‘ ich ihn nicht küssen,
Durft‘ nicht um den Hals ihm fallen,
Nur des Ringleins wegen nicht.
Nahm ich da die Frühlingsblumen,
Weiße Glöckchen, blaue Veilchen,
Nahm sie schnell entschlossen alle,
Brachte sie dem lieben Mädchen,
Das mir einst den Ring gegeben;
Warf sie alle in den Schoß ihm,
Dass es froherschrocken lachte.
Sah aus, wie der Frühling selber,
Mit den Blumen in dem Schoße,
Mit den guten klaren Augen,
Mit den Wangen, glückgerötet,
Mit den Lippen, liebelächelnd,
Dass ich um den Hals ihr fiel.
Frühling ward’s. Die weichen Lüfte
Wehen um die feuchten Dächer,
Munter plätschert’s in den Rinnen,
Vor dem Fenster piepst ein Spätzlein
Und da draußen lärmen Buben,
Wilde, laute Kinderlust.
„Adebar!“ so klingt’s von unten
Hell herauf. „Ein Storch! – Noch einer!“
Und wir sitzen Wang an Wange,
Hand in Hand in trauter Zwiesprach, Und im Schoß die ersten Blumen,
Und im Herzen unsre Liebe,
Unsre junge, junge Liebe.
Frühling ward’s!
Gustav Falke