Die Knospe der Rose
Von der üppigen, grünen Blätter
Schattgem Netze dicht umwoben,
Wagt den Kelch nicht zu entfalten,
Knospe noch, die zarte Rose.
Und sie reift das Gold der Düfte
In des Kelches tiefem Borne,
Reift der Reize stille Mächte
In dem Innersten verborgen.
Rose, Rose bald entschwellen
Muß die Kron der vollen Knospe,
Steigen bald das Gold der Düfte
Aus des dunklen Kerkers Wohnung.
Purpurglühend wird erstrahlen
Die, der Sehnenden, Aurora,
Ihr dein Kelch entgegen glühen
Von der Blätter grünem Throne.
Selig, selig, wem erblühet
Dann die lang verschlossne Krone,
Daß er trinke Gold der Düfte
Aus dem reichen Kelch der Wonnen !
Adalbert von Chamisso (1781-1838)