Die hellen Nächte
Und wieder sind die Wundernächte schimmernd
Heraufgetaucht, wo letztes Abendleuchten
Und blasser Morgenglanz geheim verwoben
Am blauen nächtgen Himmel sich vermählen.
Nur wenig Sterne blühn an höchsten Höhen
In zartem Dämmerlicht. Durch alle Straßen
Flüstert der Nachtwind träumerisch. Die Mädchen
Stehen mit großen Augen staunend. Fühlen
Bebend den Wind die Locken streifen, horchen
Dem wunderlichen Lied aus fernem Lande,
Das ihnen ungewußte Trauer singet.
Am dunklen Tore sitzen stumm die Alten,
Sie lächeln sinnend tief in sich hinein
Und lauschen, wie vom Rund der Blütenlinden
Im Glanz der Sommernacht schon hier und dorten
Blätter leis fallen in den Marmorbrunnen.
Doch mit der Laute zieht die Seele heißer
Und banger Liebe voll der Jüngling vor der
Geliebten Haus, und von dem dämmertiefen
Balkon sinkt taumelnd eine Purpurrose
Verstohlen schleierloser Hand entgleitend
Als der Geliebten süßer Dank hernieder.
Georg Heym