Der Sonntagmorgen auf dem Lande
Süße, jugendliche Wonne
Schwellt den Busen mir mit Macht,
Wenn die gold’ne Morgensonne
Über Berg und Täler lacht,
Wenn Aurorens Purpurschimmer
Auf der grüngewirkten Au‘,
In der Blumen buntem Flimmer
Spiegelt sich im Silbertau.
Durch des Haines Tiefen schallet
Philomelens Frühgesang,
Das Geflöt der Drossel hallet
Und des Lerchentrillers Klang.
In der hohen Buchenlaube,
Unter dunklem Blätterdach‘
Kurrt die alte Muttertaube
Ihre kleinen Jungen wach.
Wo die hohe, stolze Eiche
Wölbt der Zweige schützend Dach,
Plätschert im kristall’nen Teiche
Fischlein seiner Nahrung nach,
Hascht die Schwalb‘ mit schnellen Schwingen
Mücken hier und Käfer dort,
Zirpen Grillen froh und springen
Rasch von Blum‘ auf Blume fort.
Weiße Blüten seh‘ ich kosen
Mit dem Morgenstrahl‘, es spielt
Ambraduft um dunkle Rosen,
Die der Hauch des Zephyrs kühlt.
Schmetterling und Bien‘ umfliegen
Blumen, duft- und honigreich,
Und verliebte Vögel wiegen
Sich auf jedem Blütenzweig‘! –
Horch! der Kirche Glocken rufen
Laut ins Gotteshaus hinein,
Und zu des Altares Stufen
Wallt es hin in langen Reih’n.
Aus den offnen Kirchenhallen
Tönt melodischer Gesang,
Und die Orgelklänge schallen
Zu des Liebes Feierklang.
Ja, wenn solch ein gold’ner Morgen
Uns’re Erde froh begrüßt,
Wenn so stille und verborgen
Feier sich ins Herz ergießt,
Wenn so alles jubelt Freude
In der herrlichen Natur
Und im bunten Feierkleide
Liebe predigt Wald und Flur:
Dann, dann schwinden meine Schmerzen
Fern in dunkle Nacht zurück,
Und mit kindlich reinem Herzen
Fühl‘ ich dann mein ganzes Glück!
Eil‘ hinaus in Gottes Tempel,
Wo sich Blatt und Blüte liebt,
Und wo Andacht mir den Stempel
Meiner Kindheit wiedergibt!
Mondschein-Abend.
Alle Müden
Ruh’n in Frieden,
Und das All umschwebt der Traum.
An des Himmels blauem Bogen
Kommt der Mond daher gezogen
Durch der Wolke Silbersaum.
Tausend Sterne
Aus der Ferne
Senden ihren Silberstrahl;
Freundlich grüßen sie die Erde,
Daß ihr sanfter Schlummer werde
Nach des Tages Müh‘ und Qual.
Ambradüfte
Fächeln Lüfte,
Wo Violen schimmernd blüh’n,
Wo aus weiter Himmelsferne
Hier der Mond und dort die Sterne
Blicken durch der Blätter Grün.
Nebel wallen,
Tränen fallen,
Die der Himmel weint vor Lust, –
Bis zum hellen Morgen hangen,
Von der Blume aufgefangen,
Schimmernd sie an ihrer Brust.
Flüsternd neigen
Auf den Zweigen
Sich im Traum‘ die Vögelein.
Zu des Friedens Stille schallen
Melodie’n der Nachtigallen
Fern her aus dem dunklen Hain‘.
Hier im Traume
Unterm Baume,
Melancholisch-süße Nacht,
Laß mich schwärmen dir am Herzen,–
Mit dem Morgen sind die Schmerzen,
Ist die Sorge neu erwacht!
Johann Meyer
(* 5. Januar 1829 in Wilster; †15. Oktober 1904- deutscher Schriftsteller)