Der Schmetterling in der Kirche
Was suchst du hier im ersten Heiligtume,
Du leichtbeschwingter Gast,
Der du vom Schmaus im Kelch der Sommerblume
Dich her verirret hast?
Erschütternd bebt durch deine luftgen Glieder
Der Orgel Donnerklang,
Wie trunken schwebst du gaukelnd auf und nieder,
Das Kirchenschiff entlang.
Die müde Schwinge sucht umsonst die Stätte,
Darauf sie ruhen soll,
Den Rosenkelch, der draußen ihr zum Bette
So weich entgegenschwoll.
Jetzt seh ich deine Flügel niederzittern,
Getäuscht vom Blumenknauf
An des Altars vergoldeten Gegittern,
Jetzt schwebst du wieder auf.
Nun lockt der Strauß an jenes Mädchens Mieder
Dich an als Ruheport,
Doch sieh! er wallt am Busen auf und nieder,
Verschüchtert eilst du fort.
Du Kind der Luft mit deinen Heimwehschmerzen
Mahnst mich an manchen Gast,
Der hier halb Kinderspiel, halb Gott im Herzen,
Im Kirchenstuhl hälst Rast;
Manch junges Herz, das unterm bunten Kleide
Sich ungeduldig dehnt
Und nach der Sonntagsluft in Feld und Heide
Verstohlen klopfend sehnt.
Doch wirst du mir noch höhern Flugs Exempel:
So heimwehkrank wie du
Sehnt Psyche oft aus diesem Erdentempel
Sich einem höhern zu;
Aus unsrer Kirchenhallen dumpfer Enge
Zum heitern Himmelssaal,
Vom düstern Klang der irdischen Gesänge
Zum großen Weltchoral. –
Sieh da, sie da! dort steht ein Fenster offen
Im sonnenhellen Chor;
Glück auf, Glück auf! nun ist der Weg getroffen
Ins Himmelblau empor.
Fahr wohl! schon seh ich draußen dich verschweben
Im großen Tempelraum,
Da lebe aus dein selig Blumenleben,
Den bunten Frühlingstraum. –
So wird mir sein, wenn meiner Erdenklause
Verschlossne Pforte springt
Und sich der Geist vom untern Gotteshause
Zum obern Tempel schwingt.
Karl von Gerok