Der reiche Mann von Köln
Zu Köln ein reicher Kaufherr saß,
Der hatt‘ ein Herz von Eisen;
Er lebte dahin in Saus und Braus
Und drückte Wittwen und Waisen.
Er zahlte sein Silber und wog sein Gold,
Und lachte dazu im Stillen;
Der Richter bog um Gunst und Geld
Das Recht nach seinem Willen.
Da war ein Mägdlein in der Stadt,
Ein Kind von jungen Jahren,
Er trieb es fort von Haus und Hof
Mit grimmigem Gebahren.
Und als der Schnee im Winter fiel,
Und ging der Rhein mit Eise,
Ihn jammerte nicht des Kindes Noth,
Das hatte nicht Kleid noch Speise.
Und als der Frühling kam in’s Land,
Die Vöglein sangen mit Schalle –
Sie fanden das Mägdlein Morgens todt
Auf einer Streu im Stalle.
Sie trugen es fort und gruben es ein
Am Friedhof auf der Wiese;
Die Seele ging in Sankt Michaels Schooß
Hinauf zum Paradiese.
Den Tag darnach der Kaufmann ritt
Wohl lachend daher im Trabe,
Da standen drei Lilien weiß wie Schnee
Gewachsen auf dem Grabe;
Da standen drei Lilien weiß wie Schnee,
Im Winde die Blumen gingen;
Ein Vöglein schwang vom Hügel sich auf,
Im Flug hub’s an zu singen:
»Herr Marx von Köln, Herr Marx von Köln,
Wie bleich ist dein Gesichte!
Du bist ein Mörder, Herr Marx von Köln,
Ich lade dich zu Gerichte.«
Dem Kaufherrn wohl das Lachen verging,
Sein Muth war all verloren;
Er wandte sein Roß und jagte nach Haus,
Vom Blute troffen die Sporen.
Er mochte nicht nehmen Speise noch Trank
Vor ängstlichen Gedanken;
Wohin er schaut‘ in Saal und Hof,
Drei Lilien sah er schwanken.
Und als er Nachts auf den Kissen lag,
Keinen Schlaf könnt‘ er erzwingen;
Sobald ihm fielen die Augen zu,
Hört‘ er das Vöglein singen.
»Ach helft mir, helft mir, lieber Arzt!
Ich will’s euch neunfach zahlen;
Mir brennt’s im Herzen wie höllisch Feu’r;
Helft mir von diesen Qualen!«
Wohl ging der Arzt, mit Sorg‘ und Fleiß
Manch bittein Trank zu mischen;
Es that nicht gut, es that nicht schlimm,
Das Vöglein sang dazwischen:
»Herr Marx von Köln, an deiner Sünd
Wird alle Kunst zunichte.
Du bist ein Mörder, Herr Marx von Köln,
Ich lade dich zu Gerichte.«
Und um die dritte Mitternacht
Ging an der Thür ein Klopfen;
Den Kranken trieb’s vom Lager auf,
Ihm floß die Stirn von Tropfen.
Und als seine Hand den Riegel schob,
Sie flog vor Angst und Schmerze;
Und als die Thür in den Angeln ging,
Ein Zug blies aus die Kerze.
Der draußen stand, das war der Tod;
Er nahm Herrn Marx von Köllen,
Er setzt‘ ihn auf sein aschfarb Roß
Und fuhr mit ihm zur Höllen.
Emanuel Geibel