Der Buchfink | Gedicht von Heinrich Seidel
In den grünen Buchenhallen
Wandre ich vergnügt und froh,
Und von allen Wipfeln schallen
Hör ichs ebenso,
Ueberall nur ein Getön:
„Trallala, die Welt ist schön!“
Giebt es Kummer? Giebt es Sorgen?
Ach, ich weiss es gar nicht mehr,
Schreit ich so am Frühlingsmorgen
Frisch und froh daher,
Wenn es klingt vom grünen Zelt:
„Trallala; schön ist die Welt!“
Ja, die kleinen klugen Finken
Sind der höchsten Weisheit voll.
Wer in Trübsinn will versinken,
Der ist wirklich toll,
Wenn es schallt aus grünen Höhn:
„Trallala, die Welt ist schön!“
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- Abseits | Gedicht von Heinrich Seidel Des Krieges Woge warf ihn aus,Todtwund und fern vom Vaterhaus,Und eh sein Name ward Jemand kund,Verschloss ihm der Tod für ewig den Mund. Auf seiner durchschossenen Brust man fandEine Locke grau mit verblichenem Band,Darauf eine Inschrift zeigte sich:„Mein lieber Sohn, ich bete für dich!“ Ein Jüngling schön mit lockigem...
- Bei Goldhähnchens | Gedicht von Heinrich Seidel Bei Goldhähnchens war ich jüngst zu Gast!Sie wohnen im grünen FichtenpalastIn einem Nestchen kleinSehr niedlich und sehr fein. Was hat es gegeben? Schmetterlingsei,Mückensalat und GnitzenbreiUnd Käferbraten famos –Zwei Millimeter groß. Dann sang uns Vater Goldhähnchen was,So zierlich klang’s wie gesponnenes Glas,Dann wurden die Kinder besehn:Sehr niedlich alle zehn! Dann...
- Der Weihnachtsbaum – Gedicht von Heinrich Seidel Schön ist im Frühling die blühende Linde,bienendurchsummt und rauschend im Winde,hold von lieblichen Düften umweht;schön ist im Sommer die ragende Eiche,die riesenhafte, titanengleiche,die da in Wettern und Stürmen besteht;schön ist im Herbste des Apfelbaums Krone,die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohnebeugt von goldener Früchte Pracht;aber noch schöner weiß ich...
- Das Menschenherz | Gedicht von Heinrich Seidel So lieblich ist keine Frühlingsnacht,So heiss kein Sommertag gemacht,Kein Herbst so reich, kein Winter so streng,Keine Welt so weit, kein Oehr so eng,Kein Flaum so weich, so hart kein ErzWie du, vielfältig Menschenherz! Heinrich Seidel...
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- Guten Morgen, liebe Großmama! Nimm dieses kleine Sträußchen da | Gedicht von Heinrich Seidel Guten Morgen, liebe Großmama!Nimm dieses kleine Sträußchen da.Es ist aus unserm Garten!Wir sollen fragen, wie es stehtund wie es dir seit gestern geht,und solln auf Antwort warten. Und was ich sonst noch sagen sollt:Dass Mutter dich besuchen wolltheut Nachmittag um dreie.Und unser Karlchen, denk nur an,hat wieder einen neuen...
- Am Wege | Gedicht von Heinrich Seidel Wir wanderten am heissen Maientag.Zur Rechten blitzend lag ein See, und sonstIn weitem Bogen ward das grüne FeldVon sonnbeglänztem Tannenwald umzirkt. –Ein Häuschen dort im hellen Obstbaumgrün,Ein Ackersmann der seine Furchen zog.Und hier und da ein Busch – das war die Landschaft.Wir sprachen mancherlei und achtetenDes Weges wenig.Plötzlich sah...
- Beim Nähen | Gedicht von Heinrich Seidel Du warst bei’m Näh’n nicht auf der HutUnd stachst dein rosig Fingerlein –Da steht ein rundes Tröpfchen BlutAls wie ein rechter Edelstein. So wünsch‘ ich dir, wenn einst dein HerzVon bittren Leiden wird verwundet,Daß sich wie hier aus herbem SchmerzDes Glückes schöne Perle rundet. Heinrich Seidel...
- Der verarmte Feinschmecker | Gedicht von Heinrich Seidel Die Trüffel reift in Frankreichs Gauen,verborgen in der Erde schoß.Allein für mich, auf märkschen Auen,wächst die Kartoffel bloß. Es glänzt verlockend in der SonneBöhmens Fasan mit hellem Schein …Für mich blinkt in des Krämers TonneEin Hering mager nur und klein. Heinrich Seidel (1842-1906)...
- Das Künstlerpaar | Gedicht von Heinrich Seidel Er:Du steigst empor, man jauchzt dir zu!Fast störts ein wenig meine Ruh,Denn Eines könnt ich nicht ertragen:Wenn du mich würdest überragen! Sie:Du bist mein Licht und meine Wonne!Steig wie ein Adler auf zur Sonne!Und lässest du mich weit zurück,Nur um so grösser wird mein Glück! Heinrich Seidel...
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