Der alte König
Die Kerzen glühn, die Harfe rauscht
Und festlich prangt das Mahl,
Der alte König sitzt und lauscht
Wie träumend durch den Saal.
Der Ritter tafeln rings genu[n]g,
In buntem, lautem Reihn,
Doch keiner war mit ihm noch jung,
Drum sitzt er so allein.
Die Helden, die der Harfner singt –
Er focht an ihrer Seit,
Sein Leben schon wie Märchen klingt,
Verwandelt ist die Zeit.
Es lärmt um ihn der letzte Schmaus,
Als ging er ihn nichts an,
Da tritt er aus dem hellen Haus
Zum nächtlichen Altan.
Da streckt er sich, der alte Leu,
Und schüttelt sein silbernes Haar,
Da strömen die Lüfte so kühl und frei,
Da funkeln die Sterne so klar.
Da weht es durch den blauen Saal
Wie himmlische Musik,
Da grüßet ihn der Sterne Strahl
Wie seliger Geister Blick.
Und hinauf in die Lüfte murmelt er leis:
Wann holt ihr mich, Brüder, einmal?
Und tritt zurück in der Gäste Kreis
Und setzt sich schweigend ans Mahl.
Karl von Gerok