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    Das Eselein

    Auf einem Wiesengrund ging einmal
    Ein muntres Rößlein weiden,
    Ein Schimmelchen war’s, doch etwas fahl,
    Sein Äußeres nenn‘ ich bescheiden,
    Das schlechteste und auch das beste nicht,
    Wir wollen nicht drüber zanken,
    Doch hatt‘ es ein klares Augenlicht
    Und starke geschmeidige Flanken.

    In selbem Grunde schritt oft und viel
    Ein edler Jüngling spazieren,
    Hinter jedem Ohre ein Federkiel,
    Das tät ihn wunderbar zieren!
    Am Rücken ein Gänseflügelpaar,
    Die täten rauschen und wedeln,
    Und wißt, seine göttliche Gabe war,
    Die schlechte zu veredeln.

    Den Tropfen, der seiner Stirne entrann,
    Den soll wie Perle man fassen,
    Ach, ohne ihn hätte die Sonne man
    So simpelhin scheinen lassen,
    Und ohne ihn wäre der Wiesengrund
    Ein nüchterner Anger geblieben,
    Ein Quellchen blank, ein Hügelchen rund
    Und eine Handvoll Maßlieben!

    Er aber fing im den Strahl
    Und ließ ihn zucken wie Flammen,
    Die ruppigen Gräser strich er zumal
    Und flocht sie sauber zusammen,
    An Steinen schleppt‘ er sich krank und matt,
    Für ein Ruinchen am Hügel,
    Dem kämmt‘ er die Wolle glatt
    Und frisiert‘ den Mücken die Flügel.

    So hat er mit saurem Schweiß und Müh‘
    Das ganz Gemeine verbessert,
    Und klareres fand man nie,
    Als wo er schaufelt‘ und wässert‘,
    Und wie’s nun aller Edlen Manier,
    Sich mild und nobel zu zeigen,
    So, sei’s Gestein, Mensch oder Tier,
    Er gab ihm von seinem Eigen.

    Einst saß er mit seinem Werkgerät,
    Mit Schere, Pinsel und Flasche,
    In der eine schwärzliche Lymphe steht,
    Mit Spiegel, Feder und Tasche;
    Er saß und lauschte, wie in der Näh‘
    Mein Schimmelchen galoppieret;
    Auf dem Finger pfiff er: »Pst, Pferdchen, he!
    Und wacker kam es trottieret.

    Dann sprach der Edle: Du wärst schon gut,
    ‚Ne passable Rosinante,
    Nähm‘ ich dich ernstlich in meine Hut,
    Daß ich den Koller dir bannte;
    Ein leiser Traber — ein schmuckes Tier —
    Ein unermündeter Wandrer!
    Kurz, wenig wüßt‘ ich zu rügen an dir,
    Wärst du nur völlig ein andrer.

    »Drum sei verständig, trab heran
    Und laß mich ruhig gewähren,
    Und sollt’s dich kneipen, nicht zuck‘ mir dann,
    Du weißt, oft zwicken die Scheren.«
    Mein Schimmelchen stutzt, es setzt seitab,
    Ein paarmal rennt es in Kreisen,
    Dann sachte trabt es den Anger hinab,
    Dann stand es still vor dem Weisen.

    Der sprach: »Dein Ohr — ein armer Stumpf!
    Armselig bist du geboren!
    Kommandowort und der Siegestriumph,
    Das geht dir alles verloren.«
    Drauf rüstig setzt‘ er die Zangen an
    Und zerrt‘ und dehnte an beiden;
    Mein Schimmelchen ächzt und dachte dann:
    »O wehe, Hoffart muß leiden!«

    »Auch deine Farbe — erbärmlich schlecht!
    Nicht blank und dennoch zu lichte,
    Nicht für die romantische Dämmrung
    Und nicht für die klare .«
    Drauf emsig langt‘ er den Pinsel her
    Und mischte zu dem Weißen;
    Mein Schimmelchen zuckt, es juckt ihn sehr,
    Doch dacht‘ es: »Wie werd‘ ich gleißen!«

    »Und gar dein Schweif — unseliges Vieh!
    Der flattert und schlenkert wie Segel,
    Ich wette, du meinst dich ein Kraftgenie,
    Und scheinst doch andern ein Flegel.«
    Drauf mit der Schere, Gang an Gang,
    Beginnt er hurtig zu zwicken,
    Hinauf hinunter, die Wurzel entlang,
    Von der Kuppe bis an den Rücken.

    Dann spricht er freudig: »Mein schmuckes Tier,
    Mein Zelter, wie keiner!«
    Und eilends langt er den Spiegel herfür:
    »Nun sieh und freue dich deiner!
    Nun bist ein Paraderößlein, baß
    Wie eines von Münster bis Wesel.«
    Der Schimmel blinzt und schaut ins Glas —
    O , da war er ein !

    Annette von Droste-Hülshoff






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