Das alte Ehepaar
Wie in Gedanken, unaussprechlich,
Gehen Arm in Arm sie einher;
Sie noch aufrecht, wenn auch gebrechlich,
Tief gebeugt und gebrochen er.
Schwer belastet mit Sammt und Seide,
Wankt ihr vornehm hagerer Leib
Und es blinkt ihr gold’nes Geschmeide –
Ja, sie war einst ein schönes Weib!
Wie im Nachglanz sieghafter Stunden
Flammt noch zuweilen ihr dunkler Blick –
Er doch – er hat längst überwunden,
Schlaff ergeben in sein Geschick.
Ach, was liegt nicht Alles dazwischen,
Seit die Beiden gewesen jung;
Wenn sie könnten, sie möchten’s verwischen
Gern in ihrer Erinnerung.
Halbes Finden im ersten Genusse,
Launen des Hochmuths, der Eitelkeit –
Höhnender Treubruch und seine Buße,
Böse Jahre voll Haß und Streit.
Von der Natur auseinander getrieben,
Aber durch »Rücksicht« immer vereint,
Lernten sie kaum ihre Kinder lieben,
Die oft im Stillen darüber geweint.
Dennoch sich täglich in’s Auge zu blicken,
Hatten die Beiden sich mälig gewöhnt –
Und nun hat, nach all‘ den Geschicken,
Sie noch zuletzt das Alter versöhnt.
Wenn auch spät – sie hat es empfunden:
»Ach, er war doch edel und gut!«
Und er denkt mit vernarbten Wunden:
»Ach, sie hatte nur heißes Blut!«
Und sie lächelt, wenn er beflissen
Ihr den Shawl, die Mantille trägt,
Und er lächelt, wenn sie die Kissen
Abends sorglich zurecht ihm legt …
Wie in Gedanken, unaussprechlich,
Gehen Arm in Arm sie einher,
Sie noch aufrecht, wenn auch gebrechlich,
Tief gebeugt und gebrochen er.
Ferdinand von Saar