Aschenbrödel
Horch, wie drüben in der Küche
Hell das Mägdelein singt,
Dass es durch die abendliche
Sonntagsstille klingt!
Scheint durch die vergilbten Scheiben
Dir der Sonntag auch?
Will der Frühling Rosen treiben
Selbst in Ruß und Rauch?
Denkst bei diesen schlichten Tönen
Deiner Mädchenzeit,
Wo du mit des Dorfes Schönen
Sonntags dich gefreut?
Wo ihr, Hand in Hand verschlungen,
Längs dem Wiesenrein
Euer ländlich Lied gesungen,
Froh im Abendschein,
Und Vergissmeinnicht gebrochen
An des Baches Hang,
Viel gelacht und viel besprochen,
Bis die Vesper klang? –
Ach, das waren goldne Tage,
Leicht noch schlug das Herz,
Ferne lag der Knechtschaft Plage
Und des Heimwehs Schmerz.
In Arkadien geboren,
Mädchen, bist auch du,
Dir auch an des Lebens Toren
Winkte Freude zu.
Doch den goldnen Morgenstunden
Folgt ein grauer Tag,
Maienrosen sind verschwunden,
Dornig steht das Hag.
Unter fremdem Dach und Joche,
Von der Heimat weit,
Leis verrinnt dir, Woch um Woche,
Deine Jugendzeit.
Vor dem Herde bis zum Bronnen
Geht dein Lebensgang,
Darfst dich kaum am Sonntag sonnen
Zwei, drei Stunden lang. –
Nun so strähle Ruß und Asche
Aus dem blonden Haar,
Die verschwielten Hände wasche
Einmal wieder klar.
Nimm das Tüchlein aus der Truhe,
Seiden, farbenhell,
Schlüpfe in die blanken Schuhe,
Aschenbrödel, schnell.
Deine Freundinnen, sie warten
An der Ecke schon,
Von dem Tore klingts im Garten
Wie Trompetenton.
Zeige deinen Putz den Leuten,
Plaudre recht dich aus,
Aber komm beim Abendläuten
Züchtiglich nach Haus.
Karl von Gerok