An eine liebende Schwester
Jüngst wollte rasch dein Aug‘ sich feuchten –
Es wußte Niemand wohl den Grund:
Man sah nur still die Thräne leuchten
Und leise zucken deinen Mund.
Das aber fühlt‘ ich: eig’ner Leiden
Warst du nicht bange dir bewußt;
Du lerntest ja dich stets bescheiden,
Weil du für And’re zittern mußt.
In deiner Mitgebor’nen Kreise
Fällt jedes Weh‘ auf dich zurück;
Du nimmst es hin in deiner Weise,
Du nimmst es hin, als wär’s ein Glück.
Nur wenn du des Vergang’nen Schwere –
Und was noch kommen kann, erwägst:
Verräth in deinem Aug‘ die Zähre,
Wie groß die Last ist, die du trägst.
Ferdinand von Saar