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    Am Sonntage nach Weihnachten

    »Das Kind aber wuchs heran und ward
    gestärket, voll der , und Gottes
    Gnade war mit ihm«

    An Jahren reif und an Geschicke
    Blieb ich ein Kind vor Gottes Augen,
    Ein schlimmes Kind voll schwacher Tücke,
    Die selber mir zu schaden taugen.
    Nicht hat Erfahrung mich bereichert;
    Wüst ist mein , der Busen leer;
    Ach keine Frucht hab‘ ich gespeichert
    Und schau auch keine Saaten mehr!

    Ging so die teure Zeit verloren,
    Die über Hoffen zugegeben
    Dem Wesen, was noch kaum geboren
    Schon schmerzlich kämpfte um sein Leben:
    Ich, die den seit Jahren fühle
    Sich langsam nagend bis ans Herz,
    Weh‘ mir, ich treibe Kinderspiele,
    Als sei der Sarg ein Mummenscherz!

    In siechen Kindes Haupte dämmert
    Das unverstandne Mißbehagen;
    So, wenn der Grabwurm lauter hämmert,
    Fühl‘ bänger ich die Pulse schlagen.
    Dann bricht hervor das matte Stöhnen,
    Der kranke, schmerzgedämpfte Schrei;
    Ich lange mit des Wurmes Dehnen
    Sehnsüchtig nach der Arzenei.

    Doch wenn ein frischer Hauch die welke,
    Todsieche Nessel hat berühret,
    Dann hält sie sich wie Ros‘ und Nelke
    Und meint sich königlich gezieret.
    O Leichtsinn, Leichtsinn sonder Gleichen,
    Als ob kein Seufzer ihn gestört!
    Und doch muß ich vor Gram erbleichen,
    Durch meine Seele ging ein Schwert.

    Wer mußt‘ so vieles Leid erfahren
    An Körpernot und Seelenleiden
    Und dennoch in so langen Jahren
    Sich von der Welt nicht mochte scheiden:
    Ob er als Frevler sich dem Rade,
    Als Tor geselle sich dem Spott,
    O sei barmherzig, ew’ge Gnade,
    Richt ihn als Toren, milder !

    Du hast sein siedend Hirn gebildet,
    Der Nerven rastlos flatternd Spielen
    Nicht von gesundem geschildet,
    Weißt seine dumpfe Angst zu fühlen,
    Wenn er sich windet unter Schlingen,
    Zu mächtig ihm und doch verhaßt,
    Er gern ein möchte bringen,
    Wenn es nur seine Hand erfaßt‘.

    Was war, du wirst es richten,
    Und meine muß ich tragen;
    Und was Verwirrung, wirst du schlichten,
    Weit gnäd’ger, als ich dürfte sagen.
    Wenn klar das Haupt, die Fäden löser,
    Was dann mein Teil, ich es nicht;
    Jetzt kann ich stammeln nur: »Erlöser,
    Ich gebe mich in dein Gericht!«

    Annette von Droste-Hülshoff






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