Weihnachten bei den Großeltern – Weihnachtsgedicht / Gedicht von Jakob Loewenberg (1856-1929)
Heut Abend, als wir zu euch gingen,
da war in der Luft ein leises Klingen,
da war ein Rauschen, man wusst´ nicht woher,
als ob man in einem Tannenwald wär,
da huschte vorüber und ging nicht aus
ein heimliches Leuchten von Haus zu Haus.
Der Mond kam über die Dächer gesprungen:
„Wohin noch so spät, ihr kleinen Jungen?
Ihr müsst ja zu Bett, was fällt euch ein?“
und lachte uns an mit vollem Schein.
Da lachten wir wieder: „Du alter Klöner,
heut Abend ist alles anders und schöner.
Und glaubst du´s nicht, kannst mit uns gehen,
da wirst du ein blaues Wunder sehn.“
Da sprang er leuchtend uns voran,
bei diesem Hause hielt er an.
Wir gingen hinein mit froher Begier,
und Klingen und Rauschen und Leuchten ist hier.
Jakob Loewenberg (1856-1929)
Bürgerliches Weihnachtsidyll – Gedicht / Weihnachtsgedicht von Klabund
Was bringt der Weihnachtsmann, Emilien?
Einen Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich,
O Tochter Zions, freue Dich !
Doch sieh! Was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannenbaum! O Tannenbaum!
O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, Heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!
Klabund
Ein Tännlein schlief zur Wintersnacht (Wintergedicht)
Ein Tännlein schlief zur Weihnachtsnacht
tief in des Waldes Ruh,
die weißen Flocken fielen sacht
und deckten alles zu.
Im Zweige fing ein Vögelein
gar lieblich an zu singen
und seine süße Melodei
tat sich gar weithin schwingen.
Das Vöglein sang die halbe Nacht
auf seinem Ästelein,
da ist die Erde aufgewacht
und trug einen hellen Schein.
Bäume leuchtend, Bäume blendend, … (Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe)
Bäume leuchtend, Bäume blendend,
überall das Süße spendend,
in dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend.
Solch ein Fest ist uns bescheret,
Mancher Gaben Schmuck verehret;
staunend schauen wir auf und nieder,
Hin und her und immer wieder.
Aber Fürst, wenn dir`s begegnet
Und ein Abend dich so segnet,
daß als Lichter, daß als Flammen
Vor dir glänzen all zusammen.
Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die du dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.
Johann Wolfgang von Goethe
Lied im Advent – Gedicht von Matthias Claudius
Immer ein Lichtlein mehr
im Kranz, den wir gewunden,
dass er leuchte uns so sehr
durch die dunklen Stunden.
Zwei und drei und dann vier!
Rund um den Kranz – welch ein Schimmer,
und so leuchten auch wir,
und so leuchtet das Zimmer.
Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!
Matthias Claudius