Das bedrängte Deutschland
Wie lang zerfleischt mit schwerer Hand
Germanien sein Eingeweide?
Besiegt ein unbesiegtes Land
Sich selbst und seinen Ruhm, zu schlauer Feinde Freude?
Sind, wo die Donau, wo der Mayn
Voll fauler Leichen langsam fließet;
Wo um den rebenreichen Rhein
Sonst Bacchus fröhlich gieng, und sich die Elb‘ ergießet:
Sind nicht die Spuren unsrer Wuth
Auf ieder Flur, an iedem Strande?
Wo strömte nicht das deutsche Blut?
Und nicht zu Deutschlands Ruhm: Nein! meistens ihm zur Schande!
Wem ist nicht Deutschland unterthan!
Es wimmelt stets von zwanzig Heeren:
Verwüstung zeichnet ihre Bahn;
Und was die Armuth spart, hilft Uebermuth verzehren.
Vor ihnen her entflieht die Lust;
Und in den Büschen öder Auen,
Wo vormals an geliebter Brust
Der satte Landmann sang, herrscht Einsamkeit und Grauen.
Der Adler sieht entschlafen zu,
Und bleibt bey ganzer Länder Schreyen
Stets unerzürnt in träger Ruh,
Entwaffnet und gezähmt von falschen Schmeicheleyen.
O Schande! sind wir euch verwandt,
Ihr Deutschen jener bessern Zeiten,
Die feiger Knechtschaft eisern Band
Mehr, als den härtsten Tod im Arm der Freyheit scheuten?
Wir, die uns kranker Wollust weihn,
Geschwächt vom Gifte weicher Sitten;
Wir wollen deren Enkel seyn,
Die, rauh, doch furchtbarfrey, für ihre Wälder stritten?
Die Wälder, wo ihr Ruhm noch izt
Um die bemoosten Eichen schwebet,
Wo, als ihr Stahl vereint geblitzt,
Ihr ehrner Arm gesiegt und Latium gebebet?
Wir schlafen, da die Zwietracht wacht,
Und ihre bleiche Fackel schwinget,
Und, seit sie uns den Krieg gebracht,
Ihm stets zur Seite schleicht, von Furien umringet.
Ihr Natternheer zischt uns ums Ohr,
Die deutschen Herzen zu vergiften;
Und wird, kommt ihr kein Hermann vor,
An Hermanns Vaterland ein schmählig Denkmaal stiften.
Doch mein Gesang wagt allzuviel!
O Muse! fleuch zu diesen Zeiten
Alkäens kriegrisch Saitenspiel,
Das die Tyrannen schalt, und scherz auf sanftern Saiten.