Der Frühling
Ich will, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besingen,
Ich will die Zierde der Auen erhöhn,
Den Frühling, welcher anitzt, durch Florens Hände bekränzet,
Siegprangend unsre Gefilde beherrscht.
Fangt an! was säumet ihr euch? Fangt an, holdselige Saiten!
Entzückt der Echo begieriges Ohr!
Auch ich entbrenne bereits: da stehn schon lauschende Nymphen,
Nur halb durchs junge Gesträuche bedeckt.
Was seh ich? Blicket hinauf! die Luft wird plötzlich erheitert;
Es grünt der Erde befruchtete Schooß;
Wohin mein Auge geräth, da sprossen frühe Violen;
Was soll hier diese beflügelte Schaar?
Wer zieht im Pompe daher? Du, Lenz, Geschenke des Himmels!
Du hast die schreckliche Kälte besiegt,
Und nun, o liebliches Haupt der nicht mehr traurigen Auen!
Dein langverlassenes Erbe besucht.
Der Reiz, den Hebe gebahr, schwebt, vom Cupido begleitet,
Der siegbegierige Pfeile bewegt,
Bey dir geschäfftig umher, bey dir, dem Freunde Cytherens,
Dem Glanz die selige Stirne bestralt.
Ein Chor der Freuden ereilt des Zephyrs flüchtige Söhne
In Tänzen, welche die Flöte belebt,
Rings um den Wagen herum, worinn die gütige Sonne
Dich, Kind derselben! auf Erde gesandt.
Durchzeuch nicht länger, o Nord! verheerend unsre Gefilde!
Flieht wieder, stürmische Winde! zurück.
Der Frühling herrschet hieselbst, den, in beschwerlicher Hitze,
Der West durch sänftere Fittige kühlt.
Wie reizt mich eure Gestalt, seitdem der prächtige Frühling
Euch, anmuthsvolle Gefilde! bewohnt!
Erlaubt mir, ewig in euch, durch Laub und Blüthe beschattet,
Um lieblich murmelnde Bäche zu ruhn.
Hier lacht die heitere Luft und droht durch keine Gewölke;
Es lacht die ganze schmaragdene Flur,
Sie ist, vom Thaue beperlt, ein Sitz der schmeichelnden Anmuth,
Und lädt zum Kusse, den Amor erhitzt.
Da stehn die Blumen umher und düften kräftigen Ambra;
Die süßen Früchte der ehligen Huld,
Womit der zärtliche West, in holder Stille des Abends,
Um Florens reizende Brüste gescherzt.
Sey itzt, o Flora gegrüßt, dieweil du liebliche Kinder,
Zumal die göttliche Rose, gebahrst,
Die selbst der Gratien Hand zum stolzen Throne geführet,
Und durch bedornte Gesträuche beschützt;
Und mit der Könige Tracht, dem Purpurkleide, geschmücket,
Womit, durch artige Hände geraubt,
Sie Amors güldenes Haar, der Nymphen Schläfe bekränzet,
So oft sie fröliche Feste begehn.
Wohlan, bekränzet anitzt auch mich, o göttliche Rosen!
So flieht die traurige Sorge dahin;
So naht kein Kummer heran; so wird der prächtige Frühling
Mit Lust durch meine Gesänge gerühmt.
Er hat durch himmlische Gluth euch, meine Töne, begeistert;
Durch ihn sind alle Geschöpfe beseelt,
Und selbst das todte Gehölz und Thal und alle Gebürge
Und euch, bevölkerte Lüfte! belebt.
Drum ist die Stille geflohn und herrscht in wenigen Oertern;
Der Lärm regieret im heiligen Häyn,
Wo bald das sichere Wild, das Lust und Liebe gejaget,
Mit Brüllen rasche Gebüsche bestreicht:
Bald tönt durchs ganze Revier die Brunst entzündeter Heerden;
Dann girrt die zärtliche Taube dazu,
Und tief im Busche beseufzt Pandions einsame Tochter
Den Brand, der ihre Gebeine bekämpft.
Denn alles fühlet anitzt des Frühlings mächtige Triebe;
Nun hat der Liebe gefürchteter Arm
Was lebt, im Wasser, auf Erd und in den ewigen Höhen;
Nur dich nicht, stolze Dorinde! besiegt.
Wie hast du, Schönste! gewagt, mit diesem Feinde zu streiten?
Ich seh ihn; eile geschwinde davon!
Er kömmt, zum Kampfe bereit, und hat die Pfeile geschärfet,
Und schon die blutige Sehne gespannt.
Vor seinem streitbaren Arm ist noch kein Herze bestanden:
Auch du wirst, stolze Dorinde! besiegt,
Wann itzt der feurige Lenz ihm hilft im Streite gewinnen,
Der allzeit seine Triumphe gemehrt.
Genug vor itzo gescherzt; genug der Liebe geschmeichelt!
Nun sind mir größre Geschäffte bestimmt.
Hört auf! was säumet ihr euch? Hört auf, holdselige Saiten!
Ich bin auf höhere Töne bedacht.
Johann Peter Uz