Eisblumen
Was sitzt er denn und brütet still im Traum? –
Laut heult der Winter draußen durch die Gassen
Mit Sturm und Schnee; – vier Monden sind es kaum,
Seit man ihm schrieb, sie habe ihn verlassen.
Nun wacht er auf, es weckt ihn das Gebraus
Aus seinem Traum‘, darin er still vergangen;
Er fährt empor, und wie er blickt hinaus,
Sieht all‘ die Blumen er am Fenster prangen.
Da funkelt es in seinen Augen hell,
Es wollt‘, als ob er Tränen hätt‘, ihm scheinen;
O, öffne dich, du längst versiegter Quell,
Noch einmal möcht‘ um seinen Schmerz er weinen!
Jüngst saßen noch sie draußen, Herz an Herz
Und Hand in Hand und Blick in Blick versunken;
Von ihren Lippen hat den süßen Schmerz
Der Liebe bis zur Neige er getrunken.
Und aus den Blumen haben sie vereint
Die schönsten sich in heil’ger Stund‘ gebrochen; –
Und Freudentränen haben sie geweint
Und durch die Blumen haben sie gesprochen.
Und als er ging, als er den letzten Gruß
Ihr scheidend gab, da weinte sie aufs neue,
Und einen Blumenstrauß zum letzten Kuß
Gab sie als Pfand ihm ew’ger Liebestreue.
Ha, schneller als die Blumen welken hin,
Schwand ihre Treu‘, die ewig sie verheißen!
Was wollt ihr nun an seinem Fenster glüh’n,
Ihr Blumen, neu die Wunde aufzureißen?!
Er sitzt und sinnt, das dunkle Herz so schwer;
Wo eine Blume, die ihn noch erfreute? –
Sie welkten all‘ und keine blieb ihm mehr,
Als eisige, die ihm der Winter streute! –
Und eisig fährt der Winter durch das Herz,
Das, einst so reich, des Glück’s so viel besessen,
Das, nun so arm, so arm in seinem Schmerz,
Die eine, die es brach, nicht kann vergessen.
Warum auch schwand der süße Wahn so bald?
Getäuscht, – verlassen, – einsam – und betrogen?!
O, fort mit euch, ihr Blumen bleich und kalt,
Er weint, daß eure Schwester ihm gelogen!
Johann Meyer