Abends in der Laube
Der Abend wallt, mit süßer Ruh,
Von Taugewölken nieder;
Die bunte Tulpe schließt sich zu,
Der Hain vergißt der Lieder.
Nur von beglückter Liebe singt
Noch meine Philomele,
Und ach! ein Sehnsuchtsseufzer dringt
Mir schmachtend aus der Seele.
O komm, Elise, laß mit ihr
Des Abends uns genießen!
Komm, von der warmen Lippe mir
Den Seufzer wegzuküssen!
Horch, ihre Silberstimme schallt
In hellern Doppelschlägen;
Und Nachtviolenbalsam wallt
Dir lieblicher entgegen.
O du, ihr Engel, leite sie,
Voll ahndender Gefühle,
Voll warmer, frommer Sympathie,
In diese Maienkühle!
Daß, wie der Mond aus Wolken hier,
Sie mir im Dunkel lache,
Und diese Rosenlaube mir
Zum Paradiese mache!
Johann Martin Miller, 1773