Müde Augen
Müde Augen, oft getäuschte,
Warum öffnet ihr die Lider?
Warum hebt die trüben Blicke
Hoffend ihr noch einmal wieder? –
Wie von himmlischer Erscheinung
Drang in euer nächtig Dunkel
Plötzlich, wundersam belebend,
Neuen Liebessterns Gefunkel.
Doch zu spät kommt dieser Glanz euch,
Nicht mehr könnt ihr ihn ertragen;
Keinen Frühling mehr erweckt er
Wie vor Zeit in jungen Tagen.
Nur die letzten welken Blätter
Sengt er von dem Baum des Lebens
Und verdorrt an seinen Ästen
Letzte Früchte einst’gen Strebens.
Müde Augen, warum schlosset
Ihr euch auf zu neuen Qualen?
Warum schlürft so todesdurstig
Ihr das Gift der Liebesstrahlen? –
Müde Augen, nun, so trinkt euch
Vollends blind am süßen Schimmer!
Und wenn ihr genug getrunken,
Schließet, schließet euch für immer!
Ernst Scherenberg