Der treuste Freund
Schlägt warm im Rund der Erde dir
Auch manches Menschenherz,
Du hast doch keinen bessern Freund
Im Leben als – den Schmerz.
Als Kind schon lockte er dich oft
Zu sich mit leisem Wort,
Du aber flohst vor seinem Blick
Zu heitern Spielen fort.
Doch älter wurdest du – und sieh!
Des Kindes Furcht verschwand:
Als du in’s erste Leben trat’st,
War’s schon an seiner Hand.
Seit jener Zeit verließ er dich
Nicht anders als im Glück;
Doch floh der Freude lauter Schwarm,
So kehrt‘ er still zurück.
Und o wie oft hat er nicht auch
In schlaflos banger Nacht
Die Stunden bis zum Morgen treu
An deinem Bett verwacht!
Dann plaudert‘ er von Allem dir,
Was einst dein Herz verlor;
Der Gruß vergangner Tage scholl
Ernst mahnend an dein Ohr.
Und Weisheit, die kein Lehrer dich
Dereinst gelehrt im Glück,
Erschloss er deinem Geiste oft
In einem Augenblick.
Glaub‘ mir, je länger du ihn kennst,
Je enger wird das Band;
Gehst du auch in die Welt hinaus,
Er folgt durch Meer und Land.
Und legst du dich, des Wanderns müd‘,
Dereinst zur ew’gen Ruh:
Er drückt dir noch, als letzter Freund,
Dein brechend Auge zu.
Ernst Scherenberg