Das Märchen vom Glück
Sie sind allein, denn die Mutter kehrt
Zu Nacht erst vom Felde zurück…
Durchs Fenster rauschet die Linde,
Und die Alte erzählet dem Kinde
Das sonnige Märchen vom Glück.
Sie erzählt vom verwunschenen Königssohn
Und der boshaft grollenden Fee,
Vom Schloß am Felsenstrande
Vom wilden Wogengebrande
Und der Fischerhütte am See.
Und der Prinz vertrauerte Jahr um Jahr
Als Schlange im dumpfigen Grund…
Er wand sich in glühenden Ketten;
Ein Kuß nur konnte ihn retten,
Ein Kuß von rosigem Mund.
Des Fischers liebliches Töchterlein
Trug hohen, herrlichen Sinn;
Sie sprengte die Ketten von Golde;
Er aber machte die Holde
Zu seiner Königin!
Großmutter schweigt, und das Spinnrad schnurrt,
Und das Mägdlein sitzt wie gebannt;
Und es faltet die Hände im Schoße
Und heftet das Auge, das große,
Starr träumend an die Wand.
Großmutter, wie schön, o wie einzig schön!
Großmutter, o wäre das wahr!
Großmutter, mir würde nicht bange, –
Wie gerne umarmt ich die Schlange
Trotz Schauer und Todesgefahr!
Warum nur hat man das alles erdacht,
Wenn’s nie sich auf Erden begab… ?
Mir wird in der Seele so wehe,
Wie in des Kirchhofs Nähe,
Wie vor des Vaters Grab!
Sei stark, du zitterndes Kinderherz,
Und dränge die Thränen zurück!
Uns alle hat es belogen,
Uns alle hat es betrogen,
Das sonnige Märchen vom Glück!
Friedrich Ludwig Adolf Ernst Eckstein